RICHLING, I. & GROH, K. (2013): Die Molluskenfauna der Rheinauen bei Hördt (Rheinland-Pfalz) - ein kritischer Vergleich nach mehr als vier Dekaden. - Mainzer naturwissenschaftliches Archiv, 50: 249-290, Mainz.
Kurzfassung:
In den Rheinauen bei Hördt (Rheinpfalz, Rheinland-Pfalz) wurde zwischen 2008 und
2011 eine auf die Arten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie fokussierte Erfassung
der Weichtierfauna vorgenommen und den Ergebnissen früherer Untersuchungen der
Wassermollusken und Landschnecken aus den 1960er und 1970er Jahren gegenübergestellt. Bei
rund 1.500 aktuellen Einzelnachweisen und ca. 25.000 Exemplaren von über 60 Probestellen
konnten unter anderem die seltenen und gefährdeten Arten Anisus vorticulus, Vertigo
moulinsiana, Gyraulus riparius und Pisidium pseudosphaerium
erstmalig im Gebiet nachgewiesen sowie das bekannte Artenspektrum erheblich erweitert
werden. Einfache vergleichende Analysen zeigten, dass insbesondere die früheren
aquatischen Erfassungen trotz des eigenen Anspruches nicht belastbar waren, um
Veränderungen in der Fauna feststellen zu können. Unterschiede ließen sich alleine
durch methodische Defizite plausibel erklären. So lassen sich mit Ausnahme von Unio
crassus beispielsweise auch keine Entwicklungstrends der Anhangs-Arten der
FFH-Richtlinie feststellen.
Mit aktuell 133 Weichtierarten, von denen vier als erloschen gelten müssen, ist
das Gebiet bei Hördt wahrscheinlich für die gesamte Oberrheinebene die Auenlandschaft
mit der höchsten Diversität und Dichte an gefährdeten Molluskenarten. Insgesamt stehen
mehr als 40 % der Arten auf den Roten Listen Deutschlands oder von Rheinland-Pfalz, vier
der acht ehemals vorkommenden vom Aussterben bedrohten Arten haben noch
Vorkommen im Gebiet, weitere zwölf Arten sind stark gefährdet. Die Bedeutung
des Gebietes als eine im optimalen Erhaltungszustand bewahrte fossile Aue mit ihren
typischen fortgeschrittenen Sukzessionsstadien wird herausgestellt. Ein Überleben vieler
Arten dürfte nur durch die relative Isolation des Gebietes vom heutigen Rhein-Hauptstrom
mit seiner schwankenden Wasserqualität und der widernatürlichen Auendynamik
gewährleistet sein. Insbesondere Anisus vorticulus kann in diesem Zusammenhang
als Zeigerart betrachtet werden.
Abstract: The mollusk fauna of the Rhine floodplain near Hördt
(Rhineland-Palatinate) a critical comparison after more than four decades
Between 2008 and 2011 a survey of the mollusk fauna of the Rhine
floodplain near Hördt focussing on the species listed in the annexes II and IV of the
European Habitats Directive was conducted. Results were compared with investigations on
the land snails and freshwater molluscs in the 1960th and 1970th. With about 1,500 single
records and nearly 25,000 specimens collected from more than 60 sites the new survey
yielded, among others, the first local records of the rare and endangered species Anisus
vorticulus, Vertigo moulinsiana, Gyraulus riparius, and Pisidium
pseudosphaerium and added significantly to the known list of species. Simple
comparative analyses showed that especially the older aquatic assessments despite their
own claim did not prove adequate to reveal faunal changes. Methodological deficiencies
alone feasibly accounted for the differences observed. For this reason, with exception of Unio
crassus, population trends could not be determined in the annex-species of the
Habitats Directive either.
Comprising a total of 133 species including four presumably locally extinct taxa, the area
near Hördt probably is the floodplain with the highest diversity and concentration of
endangered mollusk species in the entire Upper Rhine Valley. In total, 40 % of the species
are either on the Red list of Germany or Rhineland-Palatinate, four of eight species in
the category critically endangered still survive in the area, another twelve
species are ranked as endangered. The importance of the area as an inactive
floodplain of excellent conservation status with its typical advanced succession stages is
emphasized. The relative isolation of the area from the Rhine main stream guarantees the
survival of many species by protecting them against the unnatural floodplain dynamics and
fluctuating water quality. Anisus vorticulus is presented as indicator species
for such conditions.
© Ira Richling, Germany